Finanzielle Schwierigkeiten beeinflussen viele Lebensbereiche
Julia Stingeder
ist Beraterin bei der Schuldnerhilfe OÖ. Die Organisation feiert 2019 ihr 40-jähriges Bestehen und ist auch in der Prävention sehr aktiv
WIE SIEHT EIN ARBEITSTAG BEI DIR AUS? WAS SIND DEINE AUFGABEN?
Den Hauptteil meines Arbeitsalltages verbringe ich damit Personen mit finanziellen Schwierigkeiten aller Art zu beraten. Die Anliegen meiner Kundinnen und Kunden sind da ganz unterschiedlich. Während es manchmal um Erstellung und/oder Optimierung eines Haushaltsplanes geht, können auch Stundungen, Ratenansuchen, Ausgleiche oder die Abwicklung eines gerichtlichen Schuldenregulierungsverfahrens (umgangssprachlich „Privatkonkurs“) Beratungsinhalt sein. Wichtig ist mir als Mitarbeiterin unserer staatlich anerkannten Schulden- und Familienberatungsstelle, dass stets gemeinsam mit den betroffenen Personen eine ganzheitliche, langfristige und tragfähige Lösung erarbeitet wird. Darüber hinaus bieten wir auch Beratungen im Bereich Glückspiel und Kaufsucht an.
Neben den persönlichen Gesprächen verbringe ich viel Zeit damit die mit der Kundin bzw. dem Kunden erarbeiteten Lösungen umzusetzen. Dazu gehören z.B. Korrespondenzen mit Gläubigern abzuhandeln, Telefonate zu führen oder Unterlagen zu ordnen und zu prüfen.
In meinem zweiten Einsatzbereich verbringe ich ca. 10 Stunden pro Woche mit der Betreuung unserer Kundinnen und Kunden des „Betreuten Kontos“. Das „Betreute Konto“ wurde zur Delogierungsprävention und Existenzsicherung entwickelt. Die Kundinnen und Kunden haben zwei Konten, wobei über ein Konto die SCHULDNERHILFE OÖ eine Verfügungsberechtigung hat. Von diesem Konto werden von mir alle existenziellen Kosten (wie z.B. Miete, Strom, Wärme) abgebucht. Der überschüssige Betrag wird auf ein zweites Konto überwiesen, über welches die Kundin bzw. der Kunde alleine verfügen kann.
Neben dem Beratungsbereich hat die SCHULDNERHILFE OÖ mit dem INSTITUT FINANZKOMPETENZ eine eigene Fachabteilung, welche die Verbesserung der Finanzbildung junger Menschen zum Ziel hat. Meine Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten altersadäquat und mit kreativen Methoden in Schulen, Lehrbetrieben und im Bereich der Erwachsenenbildung. Präventiv werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einzelnen Stunden oder auch in mehreren Modulen (z.B. beim Finanzführerschein) im richtigen Umgang mit dem eigenen Geld geschult.
WARUM HAST DU DICH FÜR EINEN SOZIALBERUF ENTSCHIEDEN?
Durch meine Nachbarin und Freundin, die selbst im Sozialbereich tätig war, habe ich erfahren, wie bereichernd und sinnstiftend eine Betätigung im sozialen Bereich ist.
WELCHE AUSBILDUNG HAST DU GEMACHT?
Ich habe an der Fachhochschule Linz den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit absolviert.
WAS SOLLTE MAN FÜR DEINEN JOB MITBRINGEN?
Grundsätzlich einen empathischen und wertschätzenden Umgang mit unseren Kundinnen und Kunden, die auf Grund ihrer finanziellen Schwierigkeiten nicht nur psychisch und physisch schwer belastetet sind, sondern oft auch durch gesellschaftliche Stigmata massiv beschämt sind. Darüber hinaus sicherlich auch ein juristisches und mathematisches Grundinteresse.
WAS SIND DIE HERAUSFORDERUNGEN IN DEINEM BERUF?
Ich habe täglich mit den unterschiedlichsten Personen zu tun. So sitze ich mit Menschen jeglichen Alters, aus verschiedensten sozialen und kulturellen Herkunftsmilieus und mit unterschiedlichsten Bildungsniveaus am Beratungstisch. Daneben habe ich auch mit Rechtsanwaltskanzleien, Gerichten, Behörden, Gläubigerschutzverbänden, Netzwerkorganisationen und vielen mehr zu tun. Die Inhalte und Sprache stets im richtigen Maß dem aktuellen Gegenüber anzupassen fordert mich noch heute und macht meinen Beruf gleichzeitig sehr spannend und abwechslungsreich.
WAS SIND DIE HIGHLIGHTS IN DEINER ARBEIT?
Highlights meiner Arbeit sind klar nach Abschluss einer guten finanztechnischen Lösung die Entlastungen meiner Kundinnen und Kunden zu sehen und von ihnen auch rückgemeldet zu bekommen. Nach einigen Jahren als Schuldnerberaterin weiß ich, wie finanzielle Schwierigkeiten viele andere Lebensbereiche negativ beeinflussen können und ins Positive gekehrt: dass eine gute finanzielle Basis bzw. Regulierung einen Grundstein in eine bessere Zukunft legt.